BP Nr2
18. Jänner 2010

„Man braucht Ziele, für die es sich zu leben lohnt“

Ein Interview mit „El Matador“ über einen großen sportlichen Erfolg, die Zukunft und eine neue Generation Sainz.

Was bezeichnen Sie als Ihren größten Erfolg Ihrer Motorsport-Karriere?
Carlos Sainz: „Das ist so leicht nicht zu beantworten. Ich habe zwei Titel in der Rallye-
Weltmeisterschaft gewonnen und jetzt die ‚Dakar‘. Beides sind im Grundsatz ähnliche,
jedoch auch komplett unterschiedliche Disziplinen. Und sie sind schwer zu gewinnen.
Ganz klar: Die Rallye Dakar ist ein großes Rennen mit einer enorm hohen sportlichen
Bedeutung. Sie für sich entschieden zu haben, macht mich richtig stolz, denn ich habe sie
auf meine Art gewonnen, mit meinem Verständnis von diesem Sport.“

Wieviel Erfahrung braucht es, eine „Dakar“ zu gewinnen?
„Als Erstes braucht man ein siegfähiges Auto. Das habe ich mit dem Race Touareg dieses
Jahr gehabt, das habe ich auch schon vergangenes Jahr gehabt. Doch damals haben
unglückliche Umstände den Sieg vereitelt. Dieses Jahr konnten wir es umsetzen. Ich
musste nach meinem Einstieg in den Marathon-Rallyesport 2005 erst einmal lernen, im
tiefen Wüstensand schnell und fehlerfrei zu fahren. Das mir das gelungen ist, zeigt sich
darin, dass ich mich weder 2009 noch 2010 bei der ‚Dakar‘ festgefahren habe. Dazu
braucht es in der Tat Erfahrung.“

Und wie viel Geduld ist für einen „Dakar“-Sieg nötig?
„Als ich in diese Disziplin gewechselt bin, musste ich daran arbeiten, geduldig zu bleiben.
Das macht einen großen Unterschied zu Sprintrallyes aus. Während der gesamten Rallye,
während der Prüfungen, selbst im Biwak – man muss permanent geduldig bleiben. Gerade
bei der ‚Dakar‘ kann man sein Glück nicht erzwingen, dazu ist der Sport viel zu komplex.
Ich glaube, das habe ich in den vergangenen Jahren immer mehr verinnerlicht.“

Es scheint so, als hätten Sie in diesem Jahr aus taktischen Gründen bewusst auf
Tagessiege verzichtet, um so selten wie möglich am folgenden Tag die Route
eröffnen zu müssen – was ein echter Nachteil ist. Pures Kalkül?
„In der Tat kann man den Eindruck gewinnen, dass ich nicht so sehr auf Tagessiege aus
war. Um ehrlich zu sein, habe ich dennoch permanent alles gegeben, hatte das ein oder
andere Mal allerdings Pech mit Staub und Reifenschäden. In der zweiten Woche ist dieser
Eindruck aber zu Recht entstanden: Wir haben mit der Führung im Rücken mehr auf die
Schonung des Materials geachtet, obwohl mein Teamkollege Nasser Al-Attiyah mit mehr
Risiko immer näher kam. Volkswagen Motorsport-Direktor Kris Nissen war während der
gesamten Zeit aber immer ein guter taktischer Berater.“

Gemeinsam mit Ihrem neuen Beifahrer Lucas Cruz sind Sie bislang ungeschlagen.
Was macht den Unterschied?
„Es lief von Beginn an gut und wir haben die Vorbereitungsrallyes in Brasilien und im
Orient für uns entschieden. Wir haben eine gute Beziehung zueinander und Lucas macht
einen herausragenden Job. Alle drei Siege waren strategisch gut herausgefahren. Ich
glaube, wenn man diese Statistik betrachtet, dass wir unsere Sache gut gemacht haben.“

Wie würden Sie ihre Beziehung zu Lucas Cruz im und außerhalb des Cockpits
beschreiben?
„Lucas ist zu allererst ein erstklassiger Beifahrer und Navigator. Dazu ist er eher ein
ruhiger Typ und immer entspannt. Mit diesen Eigenschaften ist er die perfekte Ergänzung
zu mir. Er ist hochprofessionell und nimmt seinen Job sehr ernst.“

Die „Dakar“ ist auch ein Teamsport. Wie wichtig ist es, ein gutes Team hinter sich
zu haben?
„Zuvor haben wir darüber gesprochen, dass es ohne ein siegfähiges Auto unmöglich ist,
die ‚Dakar‘ zu gewinnen. Dazu gehört für mich als Einheit das Team, das dieses Auto
vorbereitet. Ein echtes Siegerteam also. Teil einer großartigen Mannschaft wie
Volkswagen zu sein, macht mich stolz. Seit meiner Verpflichtung vor fünf Jahren hat sich
die Truppe kontinuierlich weiterentwickelt. Jeder im Team weiß ganz genau, was er tut,
und jeder ist extrem professionell in seinem Job. Selbst auf kleineren Rallyes ist jeder
fokussiert auf den Erfolg. Das Ergebnis daraus ist der Dreifachsieg bei der ‚Dakar‘, den
sich das Team hart erarbeitet und verdient hat.“

Wie kann man als Fahrer für die entsprechende Motivation sorgen?
„Ich sage mir immer: Du musst für deine Jungs gewinnen. Siege sind die beste Motivation.
Die Mannschaft ist voll und ganz dem Sport und dem Erfolg verschrieben. Und diese
erstklassigen Leistungen kann man nur damit belohnen, ebenfalls permanent alles zu
geben. Meiner Crew an meinem Auto, meinem Ingenieur Gerard Zyzik und der
Führungsmannschaft um Volkswagen Motorsport-Direktor Kris Nissen und Teammanager
Peter Utoft ihre Mühen mit einem ‚Dakar‘-Sieg zurückzahlen zu können, ist ein gutes
Gefühl.“

Die Rallye Dakar zu gewinnen war ein großer Traum von Ihnen. Haben Sie im
Motorsport jetzt alles erreicht?
„Im Leben braucht man permanent Ziele, für die es sich zu leben lohnt, auf die man
hinarbeiten kann. Wenn man dann eines dieser Ziele erreicht hat, einen Traum erreicht
hat, ist da zunächst eine enorme Erleichterung. Doch dann setzt man sich wieder neue
Ziele.“

Welche Ziele verfolgen Sie für die Zukunft?
„Darüber habe ich so kurz nach der ‚Dakar‘ noch nicht so intensiv nachgedacht. Doch ich
werde mich sicher bald mit Kris Nissen zusammensetzen.“ (lacht) „Vielleicht steigt
Volkswagen ja in die Formel 1 ein – das wäre gerade noch rechtzeitig für mich ...“

Dafür gibt es bald einen weiteren Sainz als Kandidaten. Wie wichtig ist Ihnen die
Karriere ihres Sohnes Carlos jr., der kommende Saison in den Automobilsport
einsteigen wird?
„Zuallererst ist sie für ihn wichtig. Er muss aus eigenem Antrieb diesen Sport betreiben
und nicht, weil ich oder jemand anderes ihn davon überzeugen muss. Ich kann ihn nur so
gut wie möglich unterstützen. Und zwar indem ich ihn nicht zu wenig, aber auch nicht zu
viel fördere. Carlos steigt aus dem Kartsport jetzt innerhalb der Red-Bull-Förderung in den
Automobilsport auf. Und Racing ist eine komplett andere Disziplin als Rallye. Meine
Ratschläge können deshalb zum Glück nur allgemein sein. Den Rest muss er sich selbst
erarbeiten. Es wird sicher nicht leicht für ihn. Aber im Moment schägt er sich großartig.“

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