BP Nr2
11. Dezember 2005
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Frauen-Power bei Volkswagen Motorsport

Wenn am 31. Dezember in Lissabon das Volkswagen Werksteam zur 28. Rallye Dakar startet, stehen Werkspilotin Jutta Kleinschmidt und ihre italienische Beifahrerin Fabrizia Pons besonders im Rampenlicht.




2005 erzielte das Duo bei der härtesten Offroad-Rallye der Welt mit einem Volkswagen Race Touareg den dritten Rang und sorgte damit für den ersten Podiumsplatz eines dieselangetriebenen Fahrzeugs. 2001 war Jutta Kleinschmidt die erste Frau, die diesen Wüsten-Klassiker gewinnen konnte. Doch die Deutsche und "Co" Fabrizia Pons sowie die schwedische Beifahrerin Tina Thörner sind nicht die einzigen Damen im Volkswagen Werksteam: Von Ärztin über Catering, Logistikerin bis zur Ingenieurin sind in vielen Bereichen Frauen vertreten. Damit ist Volkswagen im überwiegend von Männern dominierten Marathon-Rallyesport in der Vorreiterrolle.
"Das Volkswagen Werksteam für die Rallye Dakar ist ein sehr junges Projekt", erklärt Volkswagen Motorsport-Direktor Kris Nissen. "Als wir unsere Mannschaft für die Marathon-Rallyes verstärkten, haben wir die passenden Mitarbeiter für die speziellen Aufgaben gesucht – dabei spielte es überhaupt keine Rolle, ob diejenigen männlich oder weiblich waren." Bei der Rallye Dakar 2006 sind sieben Frauen bei Volkswagen in verantwortungsvollen Positionen.

Volkswagen Werkspilotin Jutta Kleinschmidt schrieb bei der Rallye Dakar immer wieder Geschichte: Sie war 1997 die erste Frau, die bei der härtesten Offroad-Rallye eine Etappe gewann. 1999 belegte sie als erste Fahrerin einen Podiumsplatz. 2001 feierte sie als erste Frau den Gesamtsieg. Seit Projektbeginn startet sie für Volkswagen Motorsport. "Ich wollte und will immer ganz vorne mitfahren. Und genau das erwartet das gesamte Team von mir und meiner Beifahrerin Fabrizia Pons", so die erfolgreichste "Dakar"-Pilotin der Geschichte. "Der hohe Frauenanteil zeigt, dass Volkswagen ein sehr modernes Team ist und Frauen bei uns die Chance haben, zu beweisen, dass sie einen gleichwertigen Job wie Männer machen können. Meine Erfahrung mit den Frauen im Team hat gezeigt, dass sie als vollwertige Teammitglieder akzeptiert werden und sich hundertprozentig auf ihren Job konzentrieren. Für mich sind die Qualitäten, die jemand mitbringt, wichtiger als die Frage, ob er Mann oder Frau ist. Ich habe beispielsweise den für mich besten Beifahrer gesucht, das war mit Fabrizia Pons eine Frau."

Fabrizia Pons ist die erfolgreichste Frau in der Rallye-Geschichte. Die Italienerin feierte in der Rallye-Weltmeisterschaft in den Achtzigerjahren an der Seite der Französin Michèle Mouton vier Siege und wurde Vize-Weltmeisterin, war danach mit Ari Vatanen erfolgreich und gewann mit Piero Liatti die traditionsreiche Rallye Monte Carlo. "Eigentlich besteht in diesem Metier kein Unterschied zwischen Mann und Frau", meint die zierliche Dame. "Ich kenne mich in der Technik der Rallyeautos genauso gut aus wie meine männlichen Kollegen. Nur in einem Punkt haben wir Frauen einen Nachteil: Bei der Muskelkraft. Bei einem Reifenwechsel komme ich manchmal an meine Grenzen – denn ein Rad unseres Race Touareg wiegt mehr als 30 Kilo."
 
"Frauen können besser organisieren", argumentiert Tina Thörner, Beifahrerin des Südafrikaners Giniel de Villiers im Volkswagen Race Touareg 2 bei der Rallye Dakar. Und deshalb fühlt sie sich als Copilotin in ihrem Element "Im Grunde erledige ich einen Sekretärinnen-Job, ich muss die richtigen Informationen zur optimalen Zeit parat halten, mich um den Papierkram im Auto kümmern. Nur mein Büro ist sehr schnell und sehr klein", meint die Schwedin scherzhaft. Sie wies als Rallye-Copilotin in der Rallye-Weltmeisterschaft und später im Marathon-Rallyesport bereits ehemaligen Weltmeistern wie Colin McRae und Ari Vatanen den Weg. "Der Vorteil von Frauen: Sie sind einfühlsamer, bringen Ruhe ins Auto und tasten sich langsam an die Grenzen heran. Männer loten ihre Grenzen eher von oben aus und gehen mehr Risiken ein", so ihre Erfahrung auf der rechten Seite des Cockpits. In ihrer Heimat gibt die Gesamtsiegerin der Rallye Marokko 2003 regelmäßig Vorträge für Frauen, berichtet aus ihren 20 Jahren im Männersport und ermutigt junge Mädchen zu ungewöhnlichen Karrierewegen. "Als Frau fällt man im Motorsport auf und erhält mehr Aufmerksamkeit", weiß Tina Thörner. "Am Anfang wird man oft nicht ernst genommen. Man braucht Geduld, um sich durchzusetzen."

Wer bei Marathon-Rallyes im Einsatz ist, muss belastbar sein, egal ob Mann oder Frau. Denn unterwegs herrscht Gleichberechtigung, bei Fahrern und im Begleittross. Zelten in der Wüste, Sandstürme, Tagesetappen von bis zu 1.000 Kilometern, fehlende Duschen und andere sanitäre Anlagen: Die Bedingungen beim Wüsten-Marathon von Lissabon bis Dakar in den Senegal sind für alle Teammitglieder gleich hart, egal ob Mechaniker oder Werksfahrer, gleichgültig ob Mann oder Frau.
 
Die heute 30 Jahre alte Anästhesistin und Notärztin Bettina Kärcher jubelte, als sie für die "Dakar" 2004 verpflichtet wurde. "Es wurde jemand gesucht, der neben den medizinischen Voraussetzungen auch noch gut Französisch sprach. Damit war ich dabei", erinnert sie sich. Haare waschen mit einer Flasche Mineralwasser, Zeltaufbauen im Sandsturm – nebensächliche Details. Denn während der Rallye ist die Medizinerin vor allem mit den Problemen der Werkspiloten und der übrigen Teammitglieder beschäftigt: Sie versorgt Verletzungen, kuriert Kopfschmerzen und Durchfälle und klärt über das richtige Verhalten in der Wüste auf. "Mein Ziel ist, während der Marathon-Rallyes größtmögliche Sicherheit zu bieten. Deshalb informiere ich mich bei den Tropeninstituten über Risiken, kontaktiere vorher Krankenhäuser, informiere mich über deren Lage und Ansprechpartner", so die Ärztin, die notfalls vor Ort selbst operieren könnte. Sie fühlte sich auf Anhieb im Team akzeptiert: "Zu vielen Teammitgliedern habe ich so guten Kontakt, dass sie mich auch außerhalb der Rallyes um Rat fragen." Die Medizinerin, die normalerweise in der Uniklinik Gießen arbeitet und nebenberuflich für die Sportklinik Bad Nauheim tätig ist, fuhr in ihrer Jugend selbst Skirennen und betreute später den hessischen Ski-Rennkader medizinisch. Ihr Luxusartikel auf dem Weg nach Dakar? Ein Buch für ruhige Stunden und auf dem Handy gespeicherte Fotos von Freunden und Familie zu Hause.

Acht Mal hat Claudia Palmer, bei Volkswagen Motorsport als Assistentin des Teammanagers für Logistik und Personal zuständig, die Rallye Dakar für verschiedene Teams absolviert. "Die meisten Frauen, die ich bei Wüsten-Rallyes kennen gelernt habe, sind aus hartem Holz", erklärt sie. Und Claudia Palmer räumt mit einem gängigen Vorteil auf – dem nämlich, dass Frauen immer zu viel Gepäck haben. "Ich habe in jedem Jahr mein Gepäck weiter komprimiert, inzwischen bin ich wirklich mit einer Minimalausrüstung unterwegs", erklärt die 36 Jahre alte Frau aus dem Allgäu, die Ende der Neunzigerjahre von einer Frauenbranche in die Männerwelt wechselte. "Ich bin gelernte Einzelhandelskauffrau Textil, habe Kniebundhosen und Karohemden verkauft. Danach besuchte ich eine Fremdsprachenschule, wurde Fremdsprachenkorrespondentin und kam durch Zufall zu einem Motorrad-Team, wo ich ab 1997 begann, "Dakar"-Einsätze zu organisieren."
 
Wenn sie am 31. Dezember zur "Dakar" aufbricht, hat sie nur zwei Luxusgegenstände im Gepäck: "Einen MP3-Player und eine zweite Zahnbürste. Die Musik, um abends im Zelt zu relaxen. Und die Ersatz-Zahnbürste, seitdem ich einmal in der Wüste eine Zahnbürste verloren habe. Tage vom nächsten Supermarkt entfernt, war das eine echte Katastrophe." Zurück ins Textilgeschäft möchte die Logistik-Expertin nicht mehr: "Für mich ist die Rallye Dakar ein gutes Mittel, wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Man ist ständig gefordert, muss sich den örtlichen Gegebenheiten anpassen und lernt, den Luxus in Europa nicht für selbstverständlich zu nehmen."
 
Volkswagen vertraut bei der Rallye Dakar 2006 auf weitere Frauen im "Dakar"-Team. Sie kümmern sich im Begleit-Tross um Team-Catering, Fernsehbeiträge und Presse-Betreuung. Doch auch bei Volkswagen Motorsport in Deutschland liegen in der Vorbereitung der Rallye Dakar viele Aufgaben in Frauen-Händen: Die Ingenieurin Gerlinde Czerwinski ist beispielsweise ist in die Entwicklung des Race Touareg 2 eingebunden und bei Testfahrten im Einsatz. Weitere Frauen sind bei Volkswagen Motorsport beispielsweise in der Qualitätskontrolle, in der Team-Organisation sowie im Bereich Marketing und Kommunikation im Einsatz und damit in wichtigen Funktionen rund um den Großeinsatz bei der Rallye Dakar 2006.

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